Zeit sparen gleich Zeit nutzen?

Wir Menschen haben immer weniger Geduld.

Ich habe mich, auch schon bevor ich den SPIEGEL-Artikel gelesen habe, mit dieser Thematik befasst. Wahrscheinlich, weil meine Mutter es immer für wichtig befand, dass ihre  Kinder geduldig warten und mit Langweile umgehen können. Ob ihr das vollkommen gelungen ist? Ich selbst finde mich selbst immer wieder fluchend vor meinem Laptop, wenn er nicht in Null Komma Nichts aufgestartet ist oder halb verzweifelnd mit meinem Smartphone in der Hand, weil das Instagrambild meines Crushs nicht lädt, wieder. Alles muss schnell gehen, ich hasse es, wenn Leute vor mir langsam gehen oder wenn ich mit meinem Bruder ein Diktat üben muss und er gefühlte drei Stunden braucht, um einen einfachen Teilsatz in sein leicht zerknittertes Heft zu schreiben. Ich nerve mich selbst ab meiner Ungeduld. Wieso muss es mich so aufregen, wenn das Essen im Restaurant ein bisschen länger braucht oder die SBB drei Minuten Verspätung hat? Liegt das an meinem Charakter oder ist es wirklich dieses kleine Teufelsding, wie der SPIEGEL-Artikel es nennen würde, das ich immer in meiner rechten Jackentasche mit mir herumtrage?

Es leuchtet mir ein, dass das Leben durch das Smartphone viel Schnelllebiger geworden ist. War (oder ist?) das nicht ursprünglicher der Sinn eines klugen Telefons, uns das Leben zu vereinfachen, damit wir mehr Zeit für anderes haben? Natürlich spare ich Zeit, wenn ich meiner besten Freundin kurz ein SMS schicke, anstatt ihr übers Haustelefon anzurufen und dann zuerst noch fünf Minuten Smalltalk mit ihrer Mutter führe, bis ich sie dann fragen kann, was für Hausaufgaben wir in Französisch haben. Meine gesparte Zeit nutze ich dann aber nicht, um meine Wäsche zu falten oder eine Runde joggen zu gehen. Nein, ich „nutze“ sie, um ein Level weiter bei Candy Crush zu kommen. Wenn ich jedoch von meiner Mutter aufgefordert werde, das Ding doch wegzulegen und etwas produktives zu machen, reagiere ich meist leicht angesäuert… Und ich habe ein leichtes Gefühl, dass diese Verhalten irgendwie nicht so optimal ist auf eine längere Dauer.

Der Artikel hat mir in diesem Sinne also wieder einmal klar gemacht, dass ich meine gesparte Zeit also das nächste Mal vielleicht nicht in ein grundsätzlich nutzloses Spiel investiveren sollte, sondern ein Geburtstagsgeschenk basteln oder ein leckeres Abendessen für meine Familie kochen könnte.

14 Kommentare zu „Zeit sparen gleich Zeit nutzen?“

  1. Sehr lebhaft, sehr pralles leben, sehr selbstkritisch. Das sind schon mal sehr gute Zutaten für einen Blogeintrag, den man gerne liest 🙂 Die Sache mit der Ungeduld kenne ich sehr gut von mit selbst, allerdings habe ich mir vor dem SPIEGEL-Beitrag noch nie so konsequent überlegt, ob da ein Zusammenhang zu der verfügbaren Technik besteht – doch doch, das könnte gut sein. Das andere, was Sie beschreiben, ist die Frage, was man alles NICHT tut, wenn man sich dem Ding hingibt … dem Ding und damit den Gewohnheiten, die man in Pausen aller Art und in der freien verfügbaren Zeit auch mal für länger ausübt. Trotzdem machen Sie mit Ihrem Humor ja auch klar, dass man eben seine triebe hat und wenn die befriedigt werden können, ist es schwierig, wieder einen Schritt zurück zu gehen und sich zu disziplinieren.

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    1. Ja, das ist es… Trotzdem achte ich mich, seit ich diesen Eintrag geschrieben habe, tatsächlich mehr auf unnötiges, was ich an meinem Handy mache und probiere meine Zeit ETWAS sinnvoller zu gestalten:)

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  2. Mir gefällt was du sagst – und wie du es sagst! Dass du verschiedene Aspekte auf dich selbst beziehst finde ich gut, es gibt einem die Möglichkeit deine Meinung besser zu verstehen.
    Lg Cél

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  3. Ich finde deinen Artikel sehr gut geschrieben und kann mich auch bei den meisten Aspekten selber wieder finden bzw. einen Zusammenhang in meinem Leben finden. Sehr gute Wortwahl und mir gefällt deine Art zu schreiben sehr.
    ps: genialer blog name!

    mfg Ary

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  4. Deiner Meinung kann ich mich nur voll und ganz anschliessen. Auch ich selbst merke immer wieder wie ungeduldig ich eigentlich bin und doch versuche ich nie etwas daran zu ändern.
    Dein Text ist sehr unterhaltsam, denn du nimmst immer wieder auf deine eigenen Probleme Bezug, was mir gefällt.

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  5. Von Deinen Schilderungen habe ich mich vollkommen angesprochen gefühlt. Deine Wortwahl harmoniert sehr gut mit Deinen Gedankengängen überein. Ich denke Deine Schlussfolgerung, dass wir unsere Zeit „sinnvoller“ nutzen sollten, könnte uns allen nicht schaden. Schliesslich verändert sich der (Un)Geduldszustand in unserer Gesellschaft rasant schnell…

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  6. In diesem Blogpost erkenne ich mich (leider) total wieder 🙂
    Meine „gesparte“ Zeit „investiere“ ich auch gerne Mal,um ein neues T-shirt auf Ebay zu finden, weil ich doch keine Zeit habe in einen Laden zu gehen… Hach.
    Den Blogpost finde ich gut, weil man sich gut in deine Lage versetzen kann. Nur werde ich die neu gewonnene Zeit garantiert nicht produktiv verbringen 😉

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